Wozu eigentlich eine Beziehung??

Und neulich, als wir mal wieder sprachen, da fragte ich sie, warum sie denn überhaupt wieder eine Beziehung will. Schließlich klagt sie dauerhaft, dass sie "immer die falschen Männer trifft" und sich dann auch noch "auf sie einlässt" und dass die meisten Männer "entweder psychische Wracks oder bereits verheiratet seien".

 

Klar, lieber, aufmerksamer Leser, ich gebe Dir recht: Dann sollte sie tunlichst diese Männer für immer aus ihrer Lebensplanung streichen oder sich die Option einer gleichgeschlechtlichen Beziehung überlegen. Oder ein Buch über die Einsamkeit schreiben, es einen Bestseller werden lassen und von den Millionen, die es umsetzt eine Stiftung für seriöse Beziehungsvermittlung gründen, deren Vorsitzende sie dann sei. Und hier werden Männer, die teilnehmen möchten, erst einmal auf Herz, Nebenniere und Psyche überprüft und im Zweifelsfall therapiert.

 

All diese Ideen von mir kamen nicht gut an. Obgleich ich sie extrem kreativ finde. Immer noch. 

Tina sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und meinte: "Veräppeln kann ich mich auch selbst."

Ungerecht.

Schließlich hatte SIE ja vor ein paar Minuten behauptet, dass Männer wahlweise Psychopathen oder verheiratet sind. Und Psychopathen brauchen eine Therapie... dachte ich.


Offenbar war's das nicht. Und dann kamen wir auf die Frage, wozu sie sich überhaupt wieder eine Beziehung wünscht, wenn die vorangegangenen doch so schief gelaufen sind.

 

Für ihre Antworten brauchte sie auch tatsächlich etwas Zeit. Dann sagte sie Folgendes:

 

"Ich habe es Leid, abends alleine auf dem Sofa zu sitzen.

Außerdem würde ich gerne zusammen mit einem lieben Menschen reisen und die Welt entdecken.

Ich fänd' es toll, wenn jemand da ist, der mich in den Arm nimmt, wenn ich abends von der Arbeit komme.

Und ich würde gerne mit jemandem über Bücher, Filme und Theaterstücke reden.

Außerdem könnte ich mit einem neuen Partner zusammen eine schöne, neue Sportart lernen. Salsa wollte ich schon immer tanzen können. 

Und ich bin keine besonders begnadete Handwerkerin. Ich würde es sehr schätzen, jemanden zu haben, der auch mal einen Dübel in die Wand schraubt und ein Bild aufhängt oder Kleinigkeiten im Haus repariert.

Mir fällt da auch gerade ein: Im Bett ist ja auch allein nur mäßig was los.

Super wäre es, wenn er finanziell sehr gut aufgestellt wäre. Endlich mal ein Mann, der seine Großzügigkeit auch durch ein großes, schönes Haus und liebevolle Geschenke zeigt. 

Bis jetzt hatte ich ja immer nur berufliche Versager."

Und jetzt kommt's:

Dies hier ist nun einmal ein Kommunikations-Blog. Ein Sprachseziererlein. Ein Wörtlichnehmer. Deshalb bitte ich Dich, lieben Leser, die oben genannten Antworten einmal ganz genau zu lesen. Was fällt Dir auf?

  

Genau.

 

Für all die genannten Punkte braucht es im Grunde keine Beziehung, oder? 

Mir würde zu jedem einzelnen Wunsch von Tina in Punkto "Mann" sofort ein Freund oder eine Freundin einfallen, mit dem oder der ich das eine oder andere völlig beziehungsfrei erledigen könnte. Ich bin zum Beispiel mit meinen Freundinnen Steffi und Assia schon herrlich auf Reisen gegangen.

Mit meiner Mutter macht das Fußballgucken auf dem Sofa richtig viel Spaß.

Einer meiner Kollegen liebt die gleichen Filme, wie ich. Wenn wir uns sehen, ist Star Wars und Kino unser erstes Thema.

Und so weiter und so fort.

 

Natürlich habe ich das für mich behalten. Schließlich hatte meine Freundin Tina kein Coaching bei uns gebucht. Hier würden wir der Sache auf andere Weise auf den Grund gehen und genau an dieser Stelle einsteigen.

 

Für diesen Blog finde ich jedoch die Frage, die bleibt, sehr spannend. Wozu braucht oder wünscht sich "Mensch" denn überhaupt eine funktionierende Beziehung?

Sex?

Nicht mal dafür braucht es ja dieser Tage eine feste, zwischenmenschliche Verbandelung, oder? 

Tina ließ mich zu diesem Thema auch mal in ihren Tinder-Account gucken. Da schruben sogar einige der Anwärter, dass sie lediglich "unverbindlichen Spaß" anbieten. Na also. Läuft.

Wozu nun also?

Wenn beinahe alles, was Tina sich wünscht, auch ohne Beziehung funktionieren würde?

Dann könnten sich eine Menge Menschen da draußen doch einfach eine Menge an Drama ersparen, nicht wahr?

 

Ein Trainer, den ich enorm schätze, sagte einmal zu mir: "Wenn sich in einer Beziehung zwischen zwei Menschen zwei tolle Energien miteinander verbinden, gibt's einen kleinen Urknall, ein vollkommenes Energiepaket, einen Sternenschauer. Dann leuchten beide zusammen noch mehr, als jeder für sich alleine schon. Einzige Voraussetzung: Jeder von beiden hat unabhängig vom anderen ein stabiles, energetisches Potential."

 

Und ja, das klingt auch mir etwas zu "esoterisch".

Macht aber nix.

Denn es gibt eine Studie, die diese Aussage auf sehr wissenschaftlicher Ebene belegt:

John Gottman gilt aktuell als der Pionier unter den Paarforschern. 900 Paare wurden von ihm und seinen Mitarbeitern über Jahrzehnte begleitet, befragt und physiologisch ausgemessen *).

Seine Erkenntnisse lassen sich kurz und bündig zusammen fassen. 

 

Streiten, rechtfertigen, vorwerfen, drohen und Abneigung offen zeigen sind nach Gottman die größten Beziehungskiller. 

Paare, die lange zusammen UND DABEI DEUTLICH MESSBAR GLÜCKLICH SIND, haben allesamt folgendes gemeinsam:

- Sie haben unabhängig voneinander ein stabiles Wertesystem, das sich an relevanten Stellen ähnelt.

- Sie sehen sich für ihr Glück sehr eigenverantwortlich und schieben dem anderen keine Bringschuld in die Schuhe.

- Sie genießen die gemeinsame Zeit, fühlen sich jedoch in ihrem Glück nicht abhängig davon.

- Sie haben den intensiv von Endorphinausstößen begleiteten Wunsch, mit dem anderen Menschen zusammen ihr gesamtes Leben zu verbringen

- Sie sorgen in erster Linie gut für sich und auch für den anderen

 

Aus unserer Sicht der Dinge würde ich noch hinzufügen:

- Es gibt eine gemeinsame Vision von "so sind wir heute glücklich und so in ein paar Jahren oder Jahrzehnten". 

 

Die "stabile Energie" lässt sich also auch psychologisch-biologisch ausdrücken.

 

Und wozu nun eine Beziehung?

Um das größte Wunder dieser Welt zu kreieren:

Denn auf einem Planeten, der aus Gegensätzen besteht - schwarz und weiß, warm und kalt,, nah und fern, Tag und Nacht, Nord und Süd - findet die einzige echte Verbindung von diesen Gegensätzen über die Verbindung von Mann und Frau (oder entsprechend bipolaren Partnern) statt.

Nacht und Tag können sich nicht verbinden, lediglich ablösen.

Hell und Dunkel ebenso.

Heiß und kalt auch.

Mann und Frau können sich - auch körperlich ;-) - vereinen und dabei sogar ein kleines Wunder hervorbringen... ein neues Leben.

Nein, es geht nicht in diesem Blog nicht darum, die Geburtenrate in Deutschland zu erhöhen. Dies ist lediglich ein sehr zauberhaftes Bild von dem, was sich ergibt, wenn zwei Menschen (gerne egal welchen Geschlechts) für eine noch schönere Schwingung im Gebälk dieses ollen Planeten sorgen - alleine dadurch, dass sie kraft- und liebevoll  zusammen noch eindrucksvoller sind, als auch alleine schon. 

Bei Frischverliebten hast Du dieses Phänomen sicher schon beobachtet.

 

Mit Tina sprach ich über all diese Ideen nicht - das wäre auch zu weit gegangen. Denn mit oft ist ja "Besserwisserei" in einer solchen, freundschaftlichen Situation gar nicht gefragt. Mit Dir, lieber Leser, teile ich meine Gedanken dazu jetzt einfach mal, freue mich auf Dein Feedback und wer weiß... vielleicht liest Tina ja heimlich mit ;-).

 

Danke für's Mitdenken und hoffentlich -schmunzeln.

 

Miri

 

*) Nan Silver; Gottman, John (1994). Why Marriages Succeed or Fail: What You Can Learn from the Breakthrough Research to Make Your Marriage Last. New York: Simon & SchusterISBN 0-671-86748-2.