Warum verändern sich Ehemänner so schwer?

Zugegebenermaßen - ein provokativer Titel. 

Ehemänner? Verändern?


Okay, lass uns kurz innehalten. 

Unter den häufigsten Anfragen, die wir in Sachen Kommunikation und NLP erhalten ist diese: 

"Was soll ich denn tun, wenn mein Mann, meine Frau, meine Kollegin / mein Chef / mein:e Partner:in sich immer so negativ verhält? Ich gebe alles, versuche es ihm / ihr zu erklären, zeige mich so fröhlich, wie ich nur kann - es bringt nur nichts. Was also kann ich machen, damit er / sie sich endlich aufrappelt und entspannter wird?" 


Im Grunde ist der Wunsch, andere zu verändern, damit es Dir (noch) besser geht, eine liebevolle Absicht. Oft handelt es sich dabei ja um Menschen, die in irgendeiner Weise in unserem Leben eine Wichtigkeit haben. 


Und weil sie uns wichtig sind, wünschen wir uns, dass sie sich so verhalten, wie wir es für gesund und richtig halten. Das ist menschlich und das ist in der Basis auch eine noble Intention. Dazu gehört ewiges Schimpfen genau so wie die berühmte "offene Zahnpastatube". Ob Du es glaubst oder nicht! Gleiche Kategorie. 


Auf der anderen Seite stellen wir uns in diesem Moment intuitiv auf ein imaginäres Podest. Wir behaupten indirekt, dass wir besser wissen, was für den anderen Menschen ein gutes Lebens- oder Arbeitskonzept ist, als er selbst. Überspitzt heißt das: Wir erklären ihn oder sie zum Idioten - weil er oder sie ja etwas "falsch" macht. Und wir offensichtlich zumindest in dem entsprechenden Kontext schlauer sind und alles oder vieles richtig machen. Wir sind ordentlicher, weil wir die Zahnpastatube nach Gebrauch verschließen. Wir sind bessere Menschen, weil wir das Leben positiv betrachten wollen und so weiter.


Florian und ich nehmen diesen Klassiker der Kommunikation sehr ernst. Denn wenn Menschen in einigen Bereichen ihres Lebens ihr eigenes Glück davon abhängig machen, dass ihre Ehemänner, KollegInnen, Vorgesetzten oder auch Kinder sich nach ihrem Geschmack verhalten, dann machen sie sich zum Opfer anderer. Ihr Glücksgefühl bedingt, dass ein anderer Mensch einsichtig ist, sich verändert - eventuell auch Teile seiner Sicht auf das Leben über den Haufen wirft. 


Und das - Ihr Lieben - kann wirklich dauern. Oder auch nie stattfinden. Denn bis andere Menschen aus unserer Sicht "einsichtig" werden oder neue Verhaltensweisen zeigen, ist zeitlich häufig ein Fass ohne Boden. Deshalb klappt das Verschließen der Zahnbürste nach einer Strafpredigt auch manchmal ein paar Tage lang... und dann bleibt die Tube doch wieder offen am Waschbeckenrand liegen.

Das hat etwas damit zu tun, dass unser Gehirn wirklich stabil gute Gründe braucht, um Verhaltensteile zu verändern. Warum? Weil das viel Sprit verbrennt. Ja, so einfach ist das. Veränderung tut also im wahrsten Sinne des Wortes weh. Sie kostet extrem viel Energie. Warum sollten Du oder die Menschen um Dich herum sich verändern, wenn das Leben für sie "doch gut funktioniert". Dein Ehemann leidet offenbar nicht besonders unter der offenen Tube, auch wenn der obere Teil der Zahnpasta etwas vertrocknet ist. im Mund wird's wieder weich. Und wie toll, wenn die Tube schon offen da liegt. Das ist weniger Arbeit. 

Und auch wenn Du jetzt entgegnen würdest: "Ja, bei der Zahnpastatube mag das stimmen. Nur - mein Partner kann doch gar nicht glücklich sein, so viel wie er oder sie meckert und sich ärgert und negativ ist."

Täusche Dich mal nicht. Manche Menschen haben sich das Meckern und Nörgeln so sehr angewöhnt, dass sie es für "normale Lebensqualität" halten (und auch so fühlen). Und angewöhnte Verhaltensweisen lässt unser menschliches Gehirn noch weniger gerne los. Egal ob Zahnpastatube oder Nörgelei.


Der Grund dafür:

Unser Gehirn ist das Organ im Körper, das am meisten Energie verbraucht. Veränderung benötigt zusätzlich Unmengen an Energie - die auch für die Verdauung, den Herzrhythmus oder den Kreislauf gebraucht wird. Wir erleben dieses Phänomen immer dann, wenn wir zum Beispiel eine neue Fertigkeit lernen möchten. Stricken oder Golf spielen. Auch das ist Veränderung. Und am Anfang, wenn wir die erste Masche unseres Lebens aufnehmen und verstricken wollen... uiuiui... das dauuuert und fühlt sich schweeer an und sofort meldet sich unser Energiesparmodus im Gehirn und schickt Gedanken wie: "Oh Gott, und so soll da ein ganzer Schal draus werden? Das schaffen wir in 3 Jahren nicht, wenn das in dem Tempo weiter geht."

Und so verhindern die meisten Menschen nützliche Veränderung. Nicht nur beim Stricken.


Ein gutes Beispiel ist eine neue Sprache. Zu Beginn erscheint es den meisten Menschen sehr mühsam, sich hunderte von Vokabeln zu merken und sie dann sehr bewusst und unintuitiv zu kurzen Sätzen aneinander zu basteln. Irgendwann und nach vielen Stunden des Übens jedoch automatisiert sich vieles aus der neuen Sprache und der Redefluss wird schneller und fühlt sich "natürlicher" an. 


Die Energie, die für dieses Lernen benötigt wird, zieht das Gehirn an anderen Stellen des Körpers ab. Deshalb können wir uns nach langen Seminartagen oder dem stundenlangen Studieren von Vokabelheften auch körperlich erschöpft fühlen, obwohl wir ja "nur gesessen haben". 


Um sich zu motivieren, diesen Aufwand zu betreiben, brauchen wir Menschen einen starken Impuls. Im NLP erklären wir das mit entweder "großen Zielen, die uns wirklich in die Veränderung locken" oder "massiven Schmerzen, die eine Verhaltensänderung unaufschiebbar machen". 

Beim Sprache lernen wäre das entweder

💚 die große Freude auf das erste in japanischer Sprache bestellte Menü in Tokyo ODER

☁️ die Angst davor, sich in Tokyo zu verlaufen und ausgeraubt zu werden.

Beides würde funktionieren. Wenn allerdings keins von beidem da ist... verweigert unser Gehirn (zurecht) den Arbeitsaufwand.

Wenn es keinen megacoolen Grund gibt, die Zahnpastatube zu schließen, sowas wie: "Zahnpasta-Kunde des Jahres" werden und auch keine besonders großen Schmerzen, wenn sie offen bleibt, sowas wie: "Alle Zähne fallen aus, wenn die Zahncreme nicht frisch verplombt ist.", dann hasta la vista Baby. Keine Chance auf Veränderung.


Auch das hast Du bestimmt schon einmal erlebt. Erinnere Dich an eine Situation in Deinem Leben, in der Du eine größere Veränderung in Deinem Verhalten, für Deinen Job, Deinen Wohnort oder eine Trennung durchgeführt hast.

Warum hast Du die Mühen, die damit verbunden waren, auf Dich genommen?

Deine Gründe passen entweder in die Kathegorie "große Träume, Ziele und Wünsche" oder in "große Schmerzen und Ängste", nicht wahr?

Das ist eine wichtige Erkenntnis.

Denn wenn Du nun davon ausgehst, dass ein anderer Mensch sich auch nur aus diesen beiden Gründen in seinem Basisverhalten oder anderen wichtigen Lebensbereichen verändern wird, dann wird Dir eventuell klar, warum "darüber reden" nicht reicht. So etwas möchte GEFÜHLT werden.


Wenn also die Kollegin oder der Partner zum Beispiel oft meckern und nörgeln, dann sind einfach weder größere Ziele für ein "es sich besser gehen lassen" vorhanden, noch sind die Schmerzen groß genug. Deine meckernden und knöternden ZeitgenossInnen zeigen dieses Verhalten, weil sie

☁️ es nicht anders gelernt haben

☁️ es sich angewöhnt haben

☁️ es ihre Art ist, Besorgnis und Ängste zum Ausdruck zu bringen

☁️ damit (Überraschung!) durchaus Aufmerksamkeit von anderen zu erhalten.

Viele Menschen erleben gerade wegen ihres frustrierten Verhaltens nämlich eine Menge an Aufmerksamkeit. Und kommen trotz dieses Verhaltens im Leben auch ganz gut "durch". Es ist nicht besonders schön, es ist auch nicht besonders schlimm. Einen solchen Zustand bezeichnen wir als "halbgares Breichen" - es ist verzehrbar, es macht auch annähernd satt - es ist eben kein Gourmetgericht.

In einem solchen "lauwarmen" Zustand steckt keine Energie. Kein zündender Funke.

Und um etwas zu verändern, etwas zu erreichen, etwas auf die Straße zu bringen.... braucht es meistens etwas mehr als das Gefühl: "Es könnte ja alles noch schlimmer sein." Dieser Gedanke nagelt Deinen verwöhnten Popo aufs Sofa und lässt ihn dort vergammeln. Sorry für die stark gewählten Worte - und not sorry.


Solange Deine "Negativlinge" also selbst keinen Bedarf fühlen (und ich meine fühlen, nicht verstehen, kapieren oder sehen), an ihrem Verhalten etwas zu ändern, kannst Du mit Engelszungen oder auch mit der Peitsche auf sie losgehen: Eine längerfristige Veränderung werden Sie Dir nicht schenken. Zu viel Aufwand.


Ist jetzt also alles verloren? Ist unser Tipp für Dich: Aufgeben und ertragen?

Nein.

Du kennst uns doch.


Allerdings können und wollen wir Dir nicht ersparen, dass die Veränderung anderer Menschen auch etwas mit Dir zu tun hat. Vor allem, wenn Du sie Dir wünschst.

Denn wie möchtest Du erwarten, dass jemand anderer sich verändert, solange Du nicht bereit ist, Veränderung vorzuleben?


Gut, hier kommen nun unsere Tipps für Dich:


✅ Lebe anderen Menschen sehr konsequent das Verhalten vor, das Du von Ihnen gerne sehen würdest.

✅ Übe Dich in Entspannung, wenn andere Menschen sich anders verhalten als Du. Diese Welt strotzt nur so vor Unterschiedlichkeiten. Ob uns das nun passt oder nicht.

✅ Verwende in der Ansprache der "Negativlinge" kein ABER, wenn Du ihnen einen Tipp oder ein Feedback geben möchtest, sondern immer ein "UND" am Anfang Deines Satzes. 

Beispiel: "Ich hab Dir schon hundert Mal gesagt, dass ich am Sonntag meine Ruhe will und deine Eltern und Du zum Kaffeetrinken ins Café gehen sollt!" "Ja, UND ich mache sowieso einen Spaziergang mit ihnen, dann ist hier Ruhe." (anstatt "Ja, ABER ich mache sowieso einen Spaziergang mit ihnen, dann ist hier Ruhe.")

✅ Achte bei Negativlingen insbesondere auf Worte wie "Alle", "Jeder", "Nie", "Immer" usw. Das sind sogenannte Generalisierungen, die in unserer Welt sehr selten wirklich zutreffen. "Heute ist alles Scheiße, wie immer Montags." Dann stelle gezielt und sehr freundlich eine Frage, die auf diese Generalisierungen abzielt. "War heute wirklich alles Scheiße oder magst Du zumindest meinen neuen Pullover? Den hab ich mir gestern gekauft und bin total verliebt." Achte gerne darauf, was passiert, wenn Du auf diese Weise sanft den Planeten rettest.


Und noch etwas:

✅ Es ist nicht Deine Pflicht, den Planeten und alle Menschen um Dich herum zu retten. In manchen Bereichen unseres Lebens werden uns "MeckererInnen" serviert, mit denen wir umzugehen haben. Das ist okay. Im Job beispielsweise werden wir uns vermutlich selten alle KollegInnen selbst aussuchen können. Dafür sind die o.g. Tipps toll geeignet. 

Es gibt allerdings Grenzen - und die bestimmst Du.

Manchmal ist es gut, Bilanz zu ziehen und sich zu überlegen: Mit wem möchte ich meine kostbare Lebenszeit wirklich verbringen? Und dieser Gedanke kann zu dem einen oder anderen Entschluss führen, bestimmte Bekanntschaften zumindest für eine gewisse Zeit nicht weiter zu pflegen. Und das ist dann auch gut so.


Danke für's Lesen.


Miri