Gehirn-Gehäkel - wenn es scheint, als seien zu viele Gedanken auf einmal auf dem Weg ins Stammhirn...

Was kann ein menschliches Gehirn so an Gleichzeitigkeit aushalten?

Gibt es einen Punkt, an dem es so eine Art Implosion gibt? Wenn so ein rotes Licht angeht, eine Sirene ertönt... das erinnert mich voll an "James Bond 007 jagt... egal wen". Immer, wenn am Ende die geheime Geheimzentrale des Bösewichts in die Luft fliegt, geht dieses rote Licht überall an und eine Sirene ertönt. Und alle rennen wild durcheinander. Und James Bond spurtet in die entgegengesetzte Richtung von allen Geheimzenralenmitarbeitern, um noch schnell eine Neutronenbombe zu entschärfen. Natürlich bevor alles in die Luft knallt. Ich liebe James Bond Filme. Auch, wenn sie völlig unrealistisch sind. ABER NICHT IN MEINEM NEOKORTEX!!!


Explosionen im "Kopp" {hessisch für Kopf}...


Letzte Woche hatte ich dieses Bild oft vor meinem inneren Auge. Das mit der implodierenden Explosion am Ende des Bond-Films:


Weihnachtsgeschäft in meinem geliebten Fernsehkaufhaus mit ständig wechselnden Spezial- und Sonderevents, zwei große Gala-Moderationen auswärts, Adventsbasar in der Schule unserer beiden Kinder, die bevorstehende Premiere des Musicals, Vor- und Nachbereitungen für die letzten Coachings und Seminare in diesem Jahr, das Rudel schreit nach Zimtsternen, die Wäscheberge vor der Waschmaschine schreien nach einer Hausangestellten, die Reinemachefrau hat Rücken und ein Haus wollen wir vielleicht auch in 2018 bauen und hätten eine Menge dafür zu planen und zu lesen... und mitten hinein in dieses quantenphysikalische Chaos aus diffusen To-Do-Listen höre ich James Bond's Synchronstimme, die leise raunt: "Geschüttelt, nicht gerührt..."


Und es denkt in mir: "Wenn ich die ganzen Gedanken in meinem Kopf jetzt schüttele, kommt ein gehäkelter Topflappen raus. Ohne Mist!"


In Zeitmanagement-Seminaren...


... habe ich das alles vor geraumer Zeit in der Theorie gelernt: Listen aufsetzen (egal in welcher Form), Prioritäten setzen, , Verträge mit mir selbst machen, Absichtlichkeit implementieren, nach dem "Warum" fragen, Achtsamkeit-Workouts mit speziellen Yoga-Knoten für mehr Fokus auf das Wesentliche, einen Papierkalender führen, einen Zeitplan schreiben und auf realistische Slots achten, Etappenziele feiern...

RUMMS!

Schon wieder eine Explosion. Die können mich alle mal, mit ihrem Zeit-Management-Gedönse. Wenn die einen Terminplan hätten, wie ich, die Wiedergeburt der Königin von Saba, ja, dann würden diese Trainer sich umschauen. Und häkeln lernen! Jawoll!! 

Sind denn alle wahnsinnig geworden?


Warum liegt denn Weihnachten auch kurz vor Sylvester und allen Jahresabschlüssen und in der Winterwetterzeit?

Du siehst, lieber Leser, ich kam bis hin zu Fragen nach dem Sinn des Lebens - "nur" weil in meinem Leben gerade einmal viel auf einmal und parallel und auf die Weltrettung zulief.


Und in all diesen wirren, vor Selbstmitleid deutlich triefenden Gedanken, mischte sich plötzlich eine kleine, leise Stimme in meinem Kopf, die mir sagte: "Wer hat sich denn all den Kram aufgehalst? Wer hat das denn alles zugesagt und unterschrieben? Wer hat denn seinen Terminplan bis zum Kaffeegedeck vollgewamst und damit jede Art von Pause auf Ansage verhindert? Wer hat sich denn wirklich viel Mühe gegeben, 28 Stunden pro Tag mit mehr oder auch minder wichtigen Jobs und Aufgaben vollzukippend? Na? WER?


Ich.


Klar bin ich das gewesen. So'n Mist. Früher hätte ich diverse Sündenböcke bei der Hand gehabt: Die Schule meiner Kinder, meinen Lebensgefährten oder Ehemann, die "Not", Geld verdienen zu "müssen", die Frist bis zum Jahresende, der Bedarf der Menschheit an der Königin von Saba, das Leben, das Universum, der liebe Gott... irgendeiner wäre definitiv Schuld gewesen an den vielen Gewerken, die mich gerade zu überspülen schienen, wie ein Tsunami.


Heute suche ich keine "Schuldigen" mehr, heute rufe ich mir selbst zu: "STOP!"


Stop!


Es geht nicht mehr darum, dass irgendeiner Schuld an irgendwas hat. Nicht mal ich (obwohl klar auf der Hand liegt, wer die 1001 Termine in meinem Kalender zugesagt und unterschrieben hat - *räusper*) rechne mir irgendeine "Schuld" zu. Vermutlich sind die meisten der anstehenden Jobs megaschön und spannend. Kekse backen hat mir schon immer Spaß gemacht. Im Fernsehkaufhaus ist es während der Vorweihnachtszeit turbulent und schnell und auch extrem lustig. Wenn mal nicht gesaugt ist, weil die Reinemachefrau Rücken hat, stört es keinen außer mir. Die Musicalpremiere ist in jedem Jahr ein Fest, egal ob ich mich vorher zum explodieren gebracht habe oder nicht. Gut, wer das mit der sich sammelnden Wäsche erfunden hat - das weiß ich bis heute nicht, klammern wir diesen Punkt also einfach aus.


Bei allem anderen würde ich sagen: Vorsicht beim "Ja-Sagen". Oder: Wie viel Spaß habe ich, wenn die Zukunft meiner Gedanken zur Gegenwart geworden ist?

Philosophische Frage


Tatsache ist: All die genannten Aufgaben und Jobs sind, wenn sie erst einmal laufen, von einer wirklich großartigen Qualität. Es jagt quasi ein Highlight das nächste.

So über sie nachzudenken, als würden sie alle gleichzeitig und in der augenblicklichen Sekunde mit mir und um mich herum geschehen, ist wirklich Häkeln mit den Gehirnsträngen. Das ist "Wirrwarr" - wie die Hessin in mir zu sagen pflegt. Tohuwabohu.


Sie passieren nicht gleichzeitig. Diese ganzen Pläne, Vorhaben, Verpflichtungen und Aufgaben.

Ich habe sie nur gefühlt alle gleichzeitig im Kopf gehabt.

Atmen.

"Dein Atemzug ist immer im Hier und Jetzt." hat mir eine Moderationstrainerin einmal gesagt. Das stimmt auch. Probier mal Deinen jetzigen Atemzug in die Zukunft oder gar die Vergangenheit zu denken. Fühlt sich schräg an, ne?

Einatmen.

Ausatmen.

Immer genau jetzt.

Nicht gestern, nicht morgen.

Jetzt.


Jetzt


Was möchte ich, das als nächstes passiert?

Zimtsterne backen, antwortete mein Gehirn.

Und all die anderen Dinge?

Haben noch etwas Zeit. Sie sind ja nicht jetzt. Zimtsterne backen ist eine tolle Idee für genau JETZT.


Und vielleicht hast Du ja auch schon mal erlebt, dass eine kurze Auszeit beim Malen, Lesen, Kochen, Backen oder im Wald herumlaufen, jetzt genau das richtige war. Ohne Handy, ohne Terminplaner, ohne Telefon, ohne Türklingel.


Und nach 45 Minuten (so lange dauert mein Zimtsterne Rezept), hatte ich eine Menge wärmenden Zimtsterne-Teig genascht, 80 Sterne gefertigt und alles in der Wohnung duftete nach Weihnachten.


Und dann?


Und dann war in meinem Kopf irgendwie wieder Ruhe. Ich hatte plötzlich nicht mehr das Gefühl von Häkeltopflappen, sondern von einem langen, ruhigen Weg durch grüne Hügel und vorbei an Wäldern und kleinen Fluss- und Bachläufen, an Ruhebänken und dem einen oder anderen kleinen Gasthaus, in dem mit selbst gebackenem Brot und Marmelade gedealt wird.


Und alle 500m etwa stand ein kleines, goldenes Päckchen für mich. Und in jedem Päckchen befand sich eine neue, spannende Aufgabe für den Monat Dezember. Immer, wenn ich gemächlich zu einem der Päckchen geschlendert kam, konnte ich es (ganz leicht) hoch heben, öffnen und den Inhalt bearbeiten.


Ein Päckchen nach dem anderen.


Und welches Päckchen zu erst und welches zuletzt kam... das konnte ich getrost meinem leistungsstarken Gehirn überlassen. Auf das ist nämlich Verlass, was kleine, goldene Päckchen angeht.


Ich mag übrigens, das James Bond Filme auch (fast) immer richtig entspannt enden. Entweder James liegt mit einer unglaublich schönen Frau in einer dieser aufblasbaren Rettungsinseln ein paar Kilometer südlich von den kleinen Antillen und erlebt seinen nächsten Flirt oder er schwebt mit einem dieser Girls romantisch in einer geräumigen Raketenkapsel durch das funkelnde Meer von Sternen der oberen Stratosphäre - mit genau noch genug Zeit für einen innigen Kuss, bevor die Kapsel die Reise zurück zur Erde antritt.


Schön nacheinander... gerade jetzt


Das wünsche ich auch Dir. Denn in dem Augenblick, in dem Du leichtes Gehäkel in Deinem Neokortex bemerken würdest... sei wach. Du bist letztlich der- oder diejenige, der Dein Gehirn steuert. Und wenn Du Dich denken oder sagen hörst: "Im Moment ist alles viel zu viel." oder "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich zu viel gleichzeitig tue.", dann ruf Dir selbst innerlich laut "STOP" oder "HALT" zu.


Und dann frage Dich: Was kommt JETZT dran? So ein bisschen, wie in der Arztpraxis.

"Der nächste bitte."

Und dann tu als erstes das, was JETZT dran kommt. Und wenn Du es erledigt hast, mache innerlich einen dicken, goldenen Haken an die Sache.


Danke für's Lesen und Mitdenken und Mitschmunzeln.

Ich wünsche Dir entspannte Zeiten, wann immer Du sie Dir wünschst.


Miriam