Diskussionen und ihre völlige Sinnlosigkeit - oder etwa nicht?

Diskussionen.
Die in Streit münden.
Ich schreibe Dir, weil mir aufgefallen ist, dass derzeit hart über viele Themen diskutiert wird. Ohne sinnvollen Outcome. Das ist erklärbar. Und es gibt Gründe, warum Florian und ich nicht einsteigen. Und wenn wir's tun würden, verrate ich Dir hier ein wenig von der Art und Weise, wie wir es dann täten. So.

Zwei Menschen, 

zwei (gegensätzliche) Meinungen, 

zwei Hot-Seats,

jeder weiß, warum er oder sie "im Recht ist" und dann Kasalla! 

Das kann, je nachdem um was es geht, stundenlanges Hick Hack bedeuten.


Ist es Dir in Deinem Leben schon einmal passiert, dass Du im Fall eines wichtig erscheinenden Themas DAS GOLDENE ARGUMENT auspacktest, und Dein Gegenüber fiel plötzlich vor Dir auf die Knie, küsste Deine Füße und sagte sowas wie:
"Oh, Du weisester aller Menschen, wie gut, dass Du mir die Augen geöffnet hast. Danke, von ganzem Herzen. Du hast besser recherchiert, mehr gelesen, Du hast die verlässlicheren Berater und überhaupt bist Du einfach schlau. Ab heute, das schwöre ich, bin ich nicht mehr vegetarisch, sondern katholisch und gestehe mir vor der ganzen Welt ein, dass ich mit all meinen Behauptungen unrecht hatte."

Ehrlich?
Mir noch NIE passiert.

Wäre ja schon ein faszinierender Moment gewesen. Einen Meinungs-Fight auf diese Weise zu gewinnen. 

Übrigens konnte ich bis vor 8 Jahren vorrtrefflich streiten und diskutieren.
Wer mich kennt: Durch meinen recht hohen Silbenanschlag pro Minute habe ich vermutlich einige Diskussionsgegner damals auch einfach in die Flucht gesprochen.
Konvertiert haben sie deshalb nicht. Sie waren dann einfach weg.

Und wenn Du über diese teils nächtelangen Streitgespräche mal reflektierst: Im Idealfall gehen die Gegner auseinander mit der Erkenntnis: Jedem Tierchen sein Plaisierchen oder Jeder Jeck ist anders.
Im schlimmsten Fall führten solche Verbaldebakel zu wochenlangem Schweigen, oder eben auch einem Freundschaftsverlust.

Dabei ging es meistens eben einfach nur darum, wer nun recht hat.

Das ist verständlich, denn das "Alltagsmonster Rechthaberei" (siehe und höre unsere aktuelle Podcastfolge) kann im Körper schon Chachacha tanzen. Es erzeugt bei gutem Futter krasse Endorphinausstöße. Sowas wie: HA! ICH BIN SCHLAUER ALS ALLE ANDEREN. Oder: SO! HAB ICH DOCH GESAGT. HÄTTET IHR MAL ALLE AUF MICH GEHÖRT!
Wer kennt diesen triumphalen Moment nicht, in dem die eigene Weissagung in irgendeiner Form zutrifft und sich kurz ein gottgleiches Gefühl von Feinsinnigkeit einstellt.

Das Doofe daran: Unser Gehirn vernachlässigt dann zu gerne die vielen Augenblicke, in denen wir auch mal deutlich daneben lagen oder einem echten Bären aufgesessen sind. Oder die Lösungsidee eines anderen Menschen sich doch als die effektivere und schnellere entpuppte.

Im NLP gehen wir mit sich verteidigenden "Rechthaberei-Monstern" wie folgt um:

Sie haben recht.
Punkt.
Selbst wenn sie aus unserer Sicht völlig hahnebüchenes Zeuch von sich geben.

Ist das verrückt?
Auf den ersten Blick und das erste Hinhören schon.

Gemeint damit ist auch keine Allgemeingültigkeit für die Gesetze des Universums.
Gemeint ist damit, dass
JEDER MENSCH IN SEINER WELT (oder seiner Blase) IMMER RECHT HAT.

Nicht in meiner Welt. Nicht in der Welt von Florian. Und vielleicht auch nicht in Deiner.
In seiner allerdings völlig und unverrückbar. Bestens recherchiert, auf seine Lebenserfahrung basierend. Und so sehr, dass er oder sie bereit ist, es bis auf's Messer zu verteidigen.

Denn sonst würde er oder sie ja nicht so dolle darauf bestehen, dass die Situation so ist, wie sie ist. Oder diese oder jene politische Meinung die eindeutig sinnvollere ist. Oder die eine Religion besser als die andere. Oder das Geschirr in der Spülmaschine in einer festen Abfolge einsortiert sein sollte. Und nicht durcheinander. Schließlich gibts Beweise. Physikalische. Erstens wird das Geschirr so viel sauberer. Und zweitens ist das Ausräumen der Maschine dann viel leichter.

Argumente gehen nie aus. Die Erfahrungen von anderen sind in den Augen des Diskutierenden von teils großer Dummheit geprägte Unsinnigkeiten und halten natürlich einem Langzeittest nicht stand. Und selbst, wenn einer noch so tolle Recherchen mit dem Durcheinander von Messern, Gabeln und Löffeln in der oberen Lade gemacht hat: Es entbehrt jeder Logik, die Spülmaschine so zu starten. Das grenzt beinahe an Trinkwasserverschwendung.


Wir geben im NLP selbst einem solchen Menschen mit diesen schwerwiegenden Spülmaschinengesetzen in seinem Gehirn recht.
Denn "in seiner Welt" ist das so. Und sein Gehirn wird ihm tagtäglich neue Bestätigungen dafür liefern, dass Spülmaschinen eine bestimmte Ordnung brauchen. Sonst gibts Flugrost, teilweise mal nicht ganz sauber gewordenes Steingut und verhangene Gläser.

Dass diese unschönen Spül-Phänomene immer in Spülmaschinen auftreten können, ist außer bei einer völligen Überladung oder dem falschen Gebrauch von Reinigern übrigens immer der Fall. Die Anordnung des Geschirrs hat rein physikalisch damit nichts zu tun - außer es ist zu viel davon in der Maschine.

Den Spülmaschinen-Feinsortierer interessiert das allerdings kein bisschen.

Diese fatale Diskussionsbereitschaft liegt an einem "Bug", also einem Denkprozess-Fehler in unserem Gehirn.

Peter Wason, einer der bekanntesten Forscher im Bereich "Kognitive Psychologie" kam schon in den frühen 60er Jahren des 20.Jahrhunderts einem sehr beeindruckenden Phänomen auf die Spur: Dem Ausfiltern von Beweisen, die die eigenen Ideen, Vorstellungen oder Erfahrungen untermauern.

Das Gehirn gehört nunmal nicht zu den rationalsten Instrumenten dieses Planeten. Schön wäre es ja, wenn es eine reine Logikmaschine wäre. Abgekoppelt von unseren Emotionen und damit im Stande, Situationen neutral zu bewerten und Schlüsse zu ziehen.

Das ist es definitiv nicht.
Lies Dir gerne gerade dieser Tage auf Facebook einmal klassische Rechthaberei-Postings durch, die eine wilde Diskussion entfachen und hunderte von Menschen in zwei oder drei Glaubens-Parteien aufspalten.

Wenn da keine Emotion im Boot ist.

Ha!

Die Wogen schlagen hoch. Von sauberem Diskurs ist da nichts mehr zu spüren. Jedes zweite Wort ist "schlimm", "furchtbar", "gefährlich" oder "dumm". Alles hochemotionale Begriffe, die eine vielleicht sogar zuvor zitierte Statistik fahl und hintergründig erscheinen lassen.

Alle diese Diskutierenden würden behaupten, super recherchiert zu haben und auf dem reinen, unemotionalen Theorem herum zu debattieren. Und wenn Du, als sprachbegeisterter Mensch, einfach nur mal die emotionalen Worte zählst... uiuiui. Nix mit wissenschaftlicher Neutralität.

Die meisten Streitthemen schrumpfen übrigens sowieso auf ein sehr langweiliges, hochtrockenes Nichts zusammen, wenn ihnen die Emotionalität entzogen wird. Das sei nur am Rande bemerkt. So macht Streiten einfach keinen Spaß. ;-)

Die sogenannte "kognitive Verzerrung" im Gehirn, die Wason in vielen Studien belegen konnte, rührt, vereinfacht dargestellt daher, dass unser Gehirn und unser Körper eins sind.
Das Gehirn ist Treiber und gleichzeitig Sklave unseres emotionalen Apparats. Es kann Gefühle bauen oder ihnen dienen.

Im Falle der Rechthaberei dient es den Gefühlen professionell. Schließlich gehts auch unserem Gehirn besser, wenn sein "Herrchen" sich klasse fühlt.
Also filtert es die Welt massiv und auf "Deubel komm raus" auf Thesen, die Herrchen täglich aufstellt. 

Nehmen wir als Beispiel diese folgenreiche Idee mancher Menschen nach dem Aufstehen:

"Heute wird ein schwieriger Tag". Bäm!

Das ist mal ein Auftrag:
Da gibts doch beim Aufstehen morgens schon Beweise, die eingesammelt werden können:

  • Die Zahncreme ist fast leer und die Dame des Hauses hat vergessen, neue zu kaufen.
  • Der Kaffee ist zu dünn.
  • Das Wetter ist beschissen.

Siehste: Recht gehabt. Ein schwieriger Tag.

Dieser Prozess läuft leider bei den meisten Menschen völlig unter dem Radar - also unbewusst.

Eine These wird aufgestellt: Das Gehirn spurt und findet Beweise.
Gegenbeweise (immerhin reicht die Zahncreme noch für heute und es ist genug Zeit, um welche nachzukaufen), werden nicht oder kaum gewertet.

Übrigens funktioniert dieser "Bug" auch umgekehrt. Wenn also jemand morgens aufsteht und für sich behauptet, dass ihm ein erstklassiger Tag bevorsteht, wird sein Gehirn sofort anders filtern:

  • Zum Glück ist noch Zahncreme da - hätte ja auch leer sein können.
  • Der Kaffee ist zufällig magenschonend geglückt - als hätten wir's geplant.
  • Es regnet - endlich! Nach den letzten heißen Sommern tut das der Natur richtig gut.

Also: Recht gehabt. Ein Premium-Tag hat begonnen.


Tja, und genau so macht "Brain" das eben auch mit weltbewegenden Themen wie Geschlechterfragen, politische Anschauungen, Beurteilungen von einzelnen Menschen und so weiter.
In den meisten Situationen gibt's Für und Wider. Welche davon sich das Gehirn pickt, kommt offenbar alleine auf den Wunsch des Gehirnbesitzers an.

Deshalb behaupten wir im NLP zunächst einmal (recht ketzerisch):
Jeder hat also in seiner kognitiven Blase vollkommen recht. Mit all seinen Behauptungen. Mit all seinen Argumenten.
Selbst, wenn diese für uns oder andere völlig ballaballa erscheinen mögen.

Okay, klingt ein bisschen wie: Du hast Recht und ich meine Ruhe.

So einfach ist das Ganze allerdings nicht.
Denn wenn es keinen Diskurs gäbe und Menschen sich gar nicht mehr über Streitthemen austauschen würden... okay... dann wäre die Welt was friedlicher.
Und vielleicht gäbe es auch keinen Fortschritt.

Denn eine Auseinandersetzung und ein Abgleichen von unterschiedlichen Ansichten ist grundsätzlich etwas, was wir unter anderem unter "Lernen" verstehen.

Diesem Lernen liegt allerdings eine Art "Freiwilligkeit" zugrunde. Und die ergibt sich meistens aus so etwas wie "Motivation".
Wenn so etwas wie Begeisterung für ein Thema im Raum ist, lernen Menschen zumeist extrem schnell. Oder wenn eine große Not besteht.
Ist beides nicht vorhanden... hm...

Und so bleibt ein jeder eben gerne in seinem eigenen Quark. Warum? Weil es sich viel komfortabler anfühlt, die eigenen Thesen als bewiesen zu betrachten.

Wie denn nun jemanden von einer besseren Ansicht, einer sinnvolleren Denke überzeugen, wenn derjenige einfach nicht erleuchtet sein möchte?

In unseren Ausbildungen bringen wir Menschen tatsächlich einige Techniken bei, die eine Diskussion erst in eine ganz andere und dann in eine eventuell gewünschte Richtung tragen. Dies setzt allerdings eines voraus: Eine entspannte Grundhaltung.

Und die bedeutet maßgeblich:
Jeder Mensch hat das Recht auf recht haben. Also auf eine eigene Meinung. Deshalb heißt es ja Meinung und nicht Deinung.


Dahinter steht auch die die vielleicht für den einen oder anderen etwas bittere Erkenntnis: Du wirst nicht jeden Menschen auf diesem Planeten "retten" können. Das hat noch nicht mal Jesus geschafft - und der hatte noch ganz andere Hacks drauf, als wir Kommunikationsbegeisterten.

Das fängt bei der "einzig richtigen" Geschirrordnung in der Spülmaschine an und hört bei einer religiösen Ausrichtung auf.
Zwei zusätzliche Tipps möchte ich Dir als Belohnung für das Lesen dieses Mammut-Postings nun doch noch stiften:

Der erste ist schon genannt: Übe Dich im Entspannt bleiben. Ein entspanntes Gehirn findet einfacher und flinker in eine gewisse Flexibilität. Und es kann deutlich kreativer reagieren. "Mit dem Kopp durch die Wand" hat ja bis jetzt auch nichts genutzt. Von daher können wir die aggressiv auf der eigenen Meinung bestehen ja endlich ad acta legen.

Der zweite Tipp ist: Genieße Deine eigene Meinung und Deine eigene Erkenntnis sichtbar. Werde zum lebenden Beweis dafür, dass das, was Du glaubst, eine tolle Sache ist. Den meisten Menschen in einer Diskussion ist eines NICHT anzumerken: 

Dass sie pure Freude und kindliche Begeisterung für ihre Ansichten empfinden. Und dass es ihnen wunderbar und gut damit geht.
Menschen, denen es sichtbar gut gehr, die vor Glück, Erleuchtung und Erkenntnis geradezu übersprudeln... die machen einen neugierig, nicht wahr? Da möchten andere doch viel eher mal wissen: Was führt dazu, dass Du so leuchtest?


Der dritte Tip ist: Grundsatzdiskussionsvermeidung, wenn es sowieso um zwei unvereinbare Pole geht und die Argumente schon mehrfach ohne Veränderung ausgetauscht wurden.
Du möchtest eine ganze Nacht lang Stress und Streit? Dann los - so wie so häufig in Deinem Leben bereits vollzogen.
Du möchtest lieber einen romantischen oder lustigen Abend?
Dann: THEMENWECHSEL! Und zwar hurtig! Lass Dir was spannendes einfallen. Das Paarungsverhalten indonesischer Einsiedlerkrebse zum Zeitpunkt des Monsuns. Oder was auch immer. Der nächste Urlaub. Das Wetter. Der Umbau der Garage. Irgendwas gibt es, was Dich und Dein Gegenüber gemeinsam interessiert und womit Ihr Freude generiert. Da bin ich mir sicher.

Ach ja - und bei Facebook-Postings oder Twitter-Diskussionen denke ich für meinen Teil kurz in Ruhe nach, bevor ich irgendetwas schreibe. Ich empfinde meine Zeit auf diesem Planeten als zu kostbar, um eine schlaue, gut recherchierte und emotional einwandfrei gefilterte Meinung von mir in einer Wolke aus verbalem Hin und Her in den unendlichen Weiten von Social Media verpuffen zu lassen.

Da mache ich lieber ein ein schönes LIVE in unserer kostenlosen Facebook-Gruppe und freue mich über die Sprachzauberei der Menschen, die dort zuhören, zusehen un zum Teil auch sehr aktiv mitmachen.
Das ist wenigstens witzig.

Beste Grüße und allertiefsinnigste Entschuldigung für dieses lange Posting hier.
Mir war mal so danach, meine luxuriös gefilterte Meinung
aufzuschreiben. 🧐

Deine Miri

P.S. Wir nehmen Dich gerne in unsere Nachdenker-Community auf. Abonniere hier gerne unseren kostenlosen Newsletter und sei immer unter den Ersten, die Neuigkeiten aus "Sprachzauberhausen" erhalten: